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Nachlassplanung «Spezial»: Patchworkfamilie
Patchworkfamilien sind heute alltäglich: Paare mit Kindern aus früheren Beziehungen bilden neu zusammengesetzte Familien mit Stiefeltern, Stiefkindern oder Halbgeschwistern. Die Konstellationen sind vielfältig. Schön und modern – nur schade, dass es das Schweizer Erbrecht nicht ist. Die gesetzliche Erbfolge ist noch immer auf traditionelle Familienmodelle ausgerichtet. In Patchwork-Konstellationen ist eine sorgfältige Nachlassplanung daher Pflicht.
Relevanz
Ende 2023 machten Patchworkfamilien rund 5% der Familienhaushalte (Haushalte mit Kindern unter 25 Jahren) in der Schweiz aus. Ausgehend von rund 2,5 Millionen Familienhaushalten, leben in der Schweiz über hunderttausend Haushalte als Patchworkfamilie. Die Bedeutung dieser Familienform nimmt seit Jahren zu.
Die verschiedenen Patchwork-Modelle haben eine Gemeinsamkeit: mindestens ein Partner (Konkubinats- oder Ehepartner) hat ein Kind aus einer früheren Beziehung. Diese Kinder sind nicht nur gesetzliche Erben des jeweiligen Elternteils, sie haben auch einen zwingenden gesetzlichen Pflichtteilsanspruch in seinem Nachlass. Soll nun ein Konkubinatspartner oder Stiefkinder im Erbfall zusätzlich begünstigt werden, ergibt sich ein zwingender Handlungs- und Planungsbedarf.
Ausgangslage
Während Ehegatten einen gesetzlichen Erbanspruch haben und in den Genuss eines Pflichtteils kommen, gilt dies nicht für Konkubinatspartner. Auch gemeinsame Kinder oder eine über mehrere Jahrzehnte gelebte Beziehung ändern daran nichts. Konkubinatspartner erben nur, wenn dies durch Testament oder Erbvertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Für Details dazu vgl. unseren Blogbeitrag «Im Konkubinat – so sichern Sie sich für den Todesfall gegenseitig richtig ab».
Auch Stiefkinder sind im Gegensatz zu gemeinsamen Kindern nicht automatisch erb- und/oder pflichtteilsberechtigt, selbst wenn sie vom Stiefelternteil ein Leben lang grossgezogen wurden. Sie sind ebenfalls nur erbberechtigt, wenn sie durch Testament oder Erbvertrag begünstigt werden. Sollen alle Kinder – die leiblichen und die Stiefkinder – gleichbehandelt oder zumindest begünstigt werden, ist eine sorgfältige Nachlassplanung unabdingbar. Wird nämlich nichts geregelt, erben lediglich die leiblichen Kinder und der Ehepartner. Der Konkubinatspartner und die Stiefkinder würden somit leer ausgehen.
Planungsmöglichkeiten
Trotz den traditionell geprägten Strukturen des schweizerischen Erbrechts enthält dieses verschiedene Instrumente, um individuell passende Lösungen zu gestalten.
Die leiblichen Kinder und der Ehegatte haben einen Pflichtteilsanspruch im Nachlass der verstorbenen Person. Dieser wurde mit der Erbrechtsrevision, in Kraft seit 1. Januar 2023 reduziert, ist aber immer noch signifikant. Werden sämtliche gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil gesetzt, beträgt die frei verfügbare Quote die Hälfte des Nachlasses. Das bedeutet: über 50 % des Nachlasses kann frei verfügt werden. Mit diesem Anteil bzw. in diesem Umfang können somit Stiefkinder und/oder Konkubinatspartner erbrechtlich begünstigt werden.
Im Ehegüterrecht führt die Existenz nicht-gemeinsamer Kinder zu zusätzlichen Einschränkungen der Planungsmöglichkeiten: In klassischen Erstfamilien können sich Ehegatten durch den Abschluss eines Ehevertrages meistbegünstigen und den gesamten Vorschlag (d.h. die gesamte Errungenschaft beider Ehegatten) dem überlebenden Ehegatten zuweisen. Sind jedoch nicht-gemeinsame Kinder vorhanden, ist eine solche Gesamtzuweisung des Vorschlages durch nicht-gemeinsame Kinder anfechtbar, da diese den Pflichtteil nicht-gemeinsamer Kinder schmälert. Insbesondere bei Patchwork-Ehen muss deshalb die güter- und erbrechtliche Regelung besonders sorgfältig geprüft werden.
Ein häufiges Anliegen in Patchworkfamilien ist, dass zunächst der Ehe- oder Konkubinatspartner abgesichert werden soll, das Vermögen nach Ableben des Partners aber wieder an die leiblichen Kinder (und somit gerade nicht an die leiblichen Kinder des Partners) zurückfallen soll. Ohne explizite Regelung ist dies kaum zu erreichen: Erbt der Partner Vermögen, fällt dieses bei seinem Tod an dessen leibliche Kinder bzw. gesetzliche Erben. Die eigenen Kinder des vorverstorbenen Partners würden diesfalls leer ausgehen. Eine Lösung hierfür bietet die Vor- und Nacherbeneinsetzung. Der Partner wird als Vorerbe eingesetzt, die leiblichen Kinder als Nacherben. Der Partner darf das ihm zufallende Vermögen nutzen. Sofern ausdrücklich festgehalten, darf der überlebende das Vermögen auch für sich verbrauchen. Ein allfälliger Rest ist bei Eintritt gewisser explizit genannter Ereignisse (wie z.B. Tod, Heirat, Urteilsunfähigkeit) den Nacherben auszurichten. Diese Regelung kann sowohl in einem Testament als auch in einem Erbvertrag vorgesehen werden. Wichtig ist, dass solch eine Regelung Pflichtteilsansprüche nicht verletzen darf, ansonsten sie angefochten werden kann.
Welche Fragen sich Patchworkfamilien stellen sollten
Zu Beginn sollte geklärt werden, ob und in welchem Umfang Partner, gemeinsame Kinder und Stiefkinder erbrechtlich berücksichtigt werden sollen. Lässt sich der gewünschte Wille mit der frei verfügbaren Quote umsetzen, oder ist eine Reduktion von Pflichtteilen nötig? Und falls ja: Sind die Pflichtteilserben bereit, einen Erb(verzichts-)vertrag zu unterzeichnen?
In einem nächsten Schritt lohnt sich die Überlegung, welche Personen als Erben eingesetzt werden sollen und wer allenfalls lediglich ein Vermächtnis erhalten soll. Erben haben im Nachlass der verstorbenen Person ein Mitspracherecht, was in Patchworkkonstellationen – insbesondere falls die Beziehungen untereinander belastet sind – zu Konflikten führen kann. Ein Vermächtnis, auch in der Form eines Pflichtteilsvermächtnis, ermöglicht es, eine Person finanziell zu begünstigen, ohne ihr Erbenstellung und damit Mitspracherechte bei der Erbteilung zu erteilen.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Wohnsituation. Viele Patchworkfamilien leben in einer gemeinsam bewohnten Liegenschaft, die jedoch oft nur einem Partner gehört oder von diesem finanziert wurde. Zu klären ist daher, ob der überlebende Partner in der Familienwohnung verbleiben können soll und ob dieses Verbleiberecht mittels Wohn- oder Nutzniessungsrecht, Mietvertrag oder einer finanziellen Begünstigung sichergestellt werden muss. Umgekehrt ist zu prüfen, ob die übrigen Erben bereit und in der Lage sind, eine solche Lösung mitzutragen.
Schliesslich kann die Einsetzung eines Willensvollstreckers sinnvoll sein. Dieser sorgt für eine geordnete Nachlassabwicklung, sichert die Umsetzung des letzten Willens der verstorbenen Person und stellt eine neutrale Instanz bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Erben dar – gerade in Patchworkkonstellationen ein wesentlicher Vorteil.
Haben Sie Fragen zu Ihrer individuellen Situation? Gerne unterstützen wir Sie dabei, eine rechtssichere und faire Lösung für Ihre Patchworkfamilie zu gestalten.
Rechtlicher Hinweis
Der Blog der Grunder Rechtsanwälte AG berichtet über neuere Entwicklungen und wichtige Themen insbesondere im Bereich des Wirtschaftsrechts, des Erbrechts und der KESB / Vorsorge. Die im Blog enthaltenen Informationen stellen keine rechtliche Beratung dar. Die Ausführungen sollten nicht ohne spezifische rechtliche Beratung als Grundlage für Handlungen verwendet werden.
